Der Abstreicher
Dieter Rothemund testet in Marktleuthen seit einem Jahr Patienten auf Corona, statt seinen Ruhestand zu genießen. Er weiß: Reden hilft, um die Aufregung der Wartenden zu lindern.
Wer im Testzentrum in Marktleuthen schon mal ein Wattestäbchen im Rachen oder der Nase hatte, ist mit großer Wahrscheinlichkeit von Dieter Rothemund abgestrichen worden. Der 62 Jahre alte Marktredwitzer arbeitet hier seit der Eröffnung der Corona-Teststelle im März 2020. Fünfmal pro Woche ist das ehrenamtliche BRK-Mitglied fünf bis sechs Stunden im Einsatz, vier Stunden lang geht er im Ganzkörperschutz mit Dreifach-Handschuhen von Auto zu Auto. 120 bis 130 Abstriche macht er im Schnitt pro Tag.
"Da erlebt man einiges", sagt Rothemund. So komme ihm beim Abstrich öfter mal ein Gebiss entgegen. Es gebe auch Patienten, die im Reflex richtig zubissen, wenn sie das Stäbchen im Hals hätten. Und manche jammerten schon, bevor er das Wattestäbchen überhaupt ausgepackt habe: "Nicht so tief, vorne an der Zunge reicht." Den einen oder anderen Patienten hebe es tatsächlich, wenn er das Stäbchen im Hals habe - aber brechen musste zum Glück noch niemand, erzählt Rothemund. "Die werden sich das gut überlegen, denn dann müssen sie ihr eigenes Auto sauber machen." Um den Patienten die Angst zu nehmen, redet Rothemund ein bisschen mit ihnen. "Und hinterher lobe ich sie immer." Meist seien die Jüngeren wehleidiger als die Älteren, die in ihrem Leben schon mehr Krankheiten mitgemacht hätten. Wenn der Tester merkt, dass ein Patient sehr aufgeregt ist, versucht er, ein "bisschen blöd daherzureden" oder einen Witz zu machen. Für Kinder nimmt sich Rothemund besonders viel Zeit und erklärt ihnen genau, was sie erwartet. "Aber die Kleinen sehen es oft lockerer als die Erwachsenen."
Weniger Geduld als der Tester bewiesen manche Autofahrer in der Schlange. "Sie sollten mehr Verständnis haben, wenn sie warten müssen", findet Rothemund. Manche kämen eineinhalb Stunden zu früh und regten sich dann auf, wenn es länger dauere. Offiziell wird in Marktleuthen von 12 bis 16 Uhr getestet. Keiner brauche Angst zu haben, dass er nicht mehr drankomme. "Wenn um 16 Uhr noch 50 Autos dastehen, werden die auch noch gemacht." Immer mal gebe es in Marktleuthen auch "Geisterfahrer", die sich der Schlange verkehrt herum näherten oder Fahrer, die den Testern fast auf die Füße fahren würden.
Doch trotz all dieser Vorfälle: Die meisten Patienten, besonders die aus Tschechien, seien diszipliniert und kooperativ. Nur manche, die als Kontaktpersonen vom Gesundheitsamt zu einem Test verpflichtet worden sind, maulten ein bisschen: "Mir fehlt doch nix, was soll der Schmarrn?" Komme ihm jemand so, kontert der der Rot-Kreuz-Helfer: "Wenn dir nix fehlt, dann sei froh und mach' einfach mit."
Übrigens hat Dieter Rothemund auch nichts gefehlt, als er vor vier Woche wie immer vor seiner Schicht einen Schnelltest machte. Weil dieser positiv ausfiel - ebenso wie der anschließende PCR-Test, begab sich Rothemund in Quarantäne. "Allerdings war ich einer von den Glücklichen, die absolut nichts von der Krankheit bemerkt haben." Also konnte er nach zwei Wochen Quarantäne und einem neuen, negativen Test seine Tätigkeit wieder aufnehmen.
Dass eine Infektion mit dem Virus nicht immer so gut ausgeht, weiß Rothemund und warnt vor Gedankenlosigkeit: "Ein guter Bekannter, der kerngesund war, ist an Corona gestorben, einen anderen hat es schwer erwischt - der kämpft immer noch." Deshalb versteht Rothemund die Corona-Leugner absolut nicht, "diese Ignoranten". Ebenso ärgerlich findet es der Rot-Kreuz-Mitarbeiter, wenn er unterwegs Leute sieht, die eigentlich in Quarantäne sein müssten und sich nicht daran halten. "Das ist unverantwortlich. Offensichtlich wissen die auch nicht, dass sie Riesenstrafen bekommen, wenn sie erwischt werden. Das ist nicht billig." Angesichts der hohen Infektionszahlen warnt Rothemund eindringlich davor, die Abstands- und Hygiene-Regeln auf die leichte Schulter zu nehmen.
Seit September bekommt der Marktredwitzer, der über 40 Jahre lang als Steinschleifer tätig war, seine Tätigkeit im Testzentrum als Mini-Jobber bezahlt. "Aber ich schaue nicht auf die Uhr und bin raus, wenn 45 Stunden rum sind." Stattdessen arbeite er dann eben ehrenamtlich weiter. Rothemund, der allein lebt, macht es Spaß, etwas für die Allgemeinheit zu tun. Wie lange will er noch fünfmal pro Woche eisern in der Marktleuthener Teststelle durchhalten? "Bis Schluss ist. Ich hoffe, dass wir es bis Sommer packen."